Geliebt,
gehasst und häufig verstoßen
Von
Klaus Veit
Was
kostet ein Schlittenhund? Mindestens 300 000 Euro, zumindest wenn
er artgerecht und unproblematisch gehalten werden soll!
Der
Hund ist dabei nicht einmal so teuer, kostet vielleicht gut 500
Euro. Schließlich sind viele Tierheime voll von den zunächst
einfach süß aussehenden und anhänglichen Vierbeinern,
die von ihren Besitzern am Anfang gehätschelt, dann beschimpft
sowie verdammt und schließlich verstoßen werden. Denn
ein Schlittenhund ist anspruchsvoll, egal ob er einer der weit
verbreiteten Sibirian Huskys, ein wuschelig-weißer Samojede,
ein rauer Grönlandhund oder ein kräftiger Alaskan Malamute
ist. Schnell wird der Besitzer merken, dass sich die fröhlich-freundlichen
blauen oder braunen Augen verfinstern, wenn sie alleine gelassen
werden.
Eine
Viertelstunde in der Wohnung oder im Auto reichen dem temperamentvollen
Etwas aus, um den Teppichboden zu zerstören oder die Sitzpolster
aufzuschlitzen rasch sind weitere 1000 Euro ausgegeben.
Etwa die gleiche Summe wird fällig für Versicherungen,
Impfungen, Steuern, Halsband, Leine, Geschirr, Spielzeug und ein
zweites Geschirr, weil er das erste zerkaut hat.
Nicht
schlimm, denn der Hund soll es gut haben. Und weil ein verantwortungsvoller
Hundeliebhaber weiß, dass es sich bei seinem Freund um ein
Rudeltier handelt, so geht er erneut ins Tierheim. Damit die Kerle
ihren Spaß haben und er nicht konditionell überfordert
ist, kauft er nebenan gleich noch ein neues Mountainbike. Einschließlich
Impfungen, Steuern, Versicherungen, Halsband, Leine, Geschirr,
Spielzeug, ein zweites Geschirr (siehe oben) sind dann schon wieder
2500 Euro weg.
Spätestens,
wenn sich das Herrchen von seinem Fahrradsturz erholt hat, weil
Hund A nach rechts und Hund B nach links in die Büsche wollte,
wird in der Familie über die Anschaffung eines Trainingsschlittens
diskutiert. Für 600 Euro wird ein entsprechendes Gerät
gekauft.
Nachdem
sich der Nachbar zum x-ten Male über die tiefen Löcher
in seinen Rosenrabatten beschwert hat Buddeln gehört
zur hündischen Lieblingsbeschäftigung , wird der
Gartenzaun für 3000 Euro erhöht. Eine Ausgabe, die sich
im Nachhinein als überflüssig herausstellen wird. Denn
die Familie ist längst erkrankt. Am Husky-Fieber. Halluzinationen
von großen Schlittengespannen vernebeln immer häufiger
die Gedanken, sechs weitere Huskys, sechs Leinen, sechs Halsbänder,
elf Geschirre (einer verhält sich untypisch) werden angeschafft,
Finanzamt, Versicherung und Tierarzt erhalten ihren Beitrag.
Das
bisherige Familienleben kommt zum Erliegen, der Nachbar ist einem
Nervenzusammenbruch nahe. 30 000 Euro werden fällig, um einen
Transporter zu kaufen und mit Zweierboxen zu bestücken, damit
die vierbeinigen Sportler zu ihren ersten Wettbewerben gefahren
werden können. Der Rennschlitten (4000 Euro) ist hingegen
richtig günstig.
Doch
es hilft auf Dauer nichts die alten Zäune können
zurück gebaut werden, das einsam liegende Eigenheim muss
her. Nahe am Wald ist es für 250 000 Euro ein Schnäppchen,
die 10 000 Euro für die Zwingeranlage für zunächst
zwölf Hunde man weiß ja nie fallen da
nicht mehr besonders ins Gewicht. Dafür werden sogar häufig
Anwaltskosten wegen der Rechtsstreitigkeiten mit den Nachbarn
gespart.
Sicher
viel Geld für "einen" Hund. Wird dafür das
Wohneigentum nun gut geschützt? Leider nein. Schlittenhunde
begrüßen jeden Fremden mit freundlichem Schwanzwedeln
und lautstarkem Gebell und helfen anschließend dem
Einbrecher, sein Diebesgut weg zu tragen. Menschenfreundlich sind
sie, so wie es ihnen die Inuit früher beigebracht hatten.
Ein Hund, der Fremde angreift, war am Polarkreis fehl am Platze.
Und wurde von seinem Besitzer kurzerhand getötet. So wurden
über Jahrtausende hinweg in Nordsibirien, in Alaska, im hohen
Norden Kanadas und in Grönland immer freundlichere Exemplare
gezüchtet. Der aus Sibirien stammende Samojede beispielsweise,
der etwas an einen Spitz erinnert, scheint richtig lachen zu können.
Trotzdem: Einen eigenen Kopf haben alle. Neben ihrem unbändigen
Bewegungsdrang können Schlittenhunde ihre Freude an der Jagd
nicht immer verbergen. Auch deshalb werden sie besser an der Leine
gehalten.
Der
Musher, wie der Gespannführer nach dem französischen
"marche" (marschieren) genannt wird, hat meist alle
Hände (und Füße) voll zu tun, um seine Meute unter
Kontrolle zu behalten. Vor lauter Vorfreude beginnt ein ohrenbetäubender
Lärm, wenn der erste Hund vor den Schlitten gespannt wird.
Die laufwilligen Vierbeiner zerren an ihren Ketten, machen regelrechte
Bocksprünge, können kaum erwarten, dass die wilde Hatz
endlich beginnt.
Rund
2000 Schlittenhundegespanne gibt es in Deutschland, fast ein Drittel
wird von Frauen dirigiert. Mit einem lauten "Gee" (rechts)
und "Haw" (links) werden die Leithunde und damit das
gesamte Gespann durch die Landschaft gesteuert.
Auch
die Musherin muss bergauf den Schlitten schieben, um ihre Vierbeiner
zu entlasten, muss bergab die Balance auf den schmalen Holzkufen
halten und notfalls den stählernen "Anker" werfen,
um das Gespann zum Stehen zu zu bringen, weil der Schlitten bei
einer Bodenwelle umgestürzt ist.
Schlittenhunderennen
gehen über verschiedene Distanzen, es gibt Sprintwettbewerbe
bis hin zu Marathonwettbewerben. Das weltweit bekannteste Rennen
findet seit 1973 jährlich in Alaska statt, der Iditarod-Trail.
Er erinnert an eine sensationelle Rettungstat im Jahr 1925, als
2000 Einwohner der Stadt Nome nur durch die Leistungsfähigkeit
von 20 Hundegespannen gerettet werden konnten. Denn als in Alaska
die Diphterie ausbrach, musste ein Impfstoff so schnell wie möglich
zu den Erkrankten gebracht werden. Bei Temperaturen von minus
45 Grad rannten die Gespanne, zuvor schon für die Goldgräber
unersetzliche Helfer, in Form einer Stafette los und legten die
1800 Kilometer lange Strecke trotz Schneestürmen in gerade
einmal gut fünf Tagen zurück normalerweise wurden
25 Tage benötigt. Inzwischen werden Schlittenhunde mit anderen,
schnelleren Rassen beispielsweise Jagdhunden gekreuzt,
damit sie noch leistungsfähiger werden.
Während
in Nordamerika bei solchen Rennen nicht nur großer Ruhm,
sondern auch hohe Geldsummen zu gewinnen sind, starten die europäischen
Musher zum reinen Vergnügen. Selbst bei der vom 20. bis 23.
Februar in der 800-Seelen-Gemeinde Werfenweng stattfindenden Weltmeisterschaft
wird der Sieger außer einer Urkunde und einem Pokal nichts
erhalten (www.schlittenhundewm.at). Mehr als 1000 Schlittenhunde
werden den beschaulichen Bergort im Salzburger Land mit ihrem
Temperament zu nie erlebtem Leben erwecken. Zwischen acht und
20 Kilometer lang werden die Trails im Tennengebirge sein, je
nach Wettkampf-Kategorie, die sich nach der Anzahl der Hunde richtet.
Es beginnt mit dem "Skijöring", bei dem der Musher
seinem einzigen Hund auf Langlaufskiern folgt, und endet mit der
offenen Klasse, in der neun und mehr Hunde vor einen Schlitten
gespannt werden.
Ob
einzeln oder im Gespann, alle Hunde werden tüchtig etwas
"verputzen". Der Speiseplan ist nicht von schlechten
Eltern: Ein knappes Pfund rohes Rindfleisch täglich frisst
ein sportlicher Vierbeiner ausschließlich hochwertiges
Muskelfleisch, keine Innereien. Hinzu kommen Hochleistungstrockenfutter,
im Winter etwas Rapsöl zur Energiegewinnung, spezielle Vitamine
und vier Liter Flüssigkeit. Damit es auch richtig schmeckt,
wird das Wasser mit Lachs-, Saibling- oder Forellenresten vermischt.
Ein Schlittenhund ist eben auch bei Tisch etwas anspruchsvoll.
Wer sich auch jetzt noch einen Schlittenhund zulegen möchte,
der sollte sich einige weitere Fragen stellen. Ob er bei jedem
Wetter mehrere Stunden mit seinen Tieren unterwegs sein will.
Ob er nichts gegen Haare in seiner Umgebung hat, denn jeder Schlittenhund
wechselt mindestens einmal pro Jahr sein Fell. Und ob er Hundebesitzer,
die ihre Tiere immer an der Leine führen, für Tierquäler
hält. Denn der Bewegungsdrang ist bei Schlittenhunden so
ausgeprägt, dass sie nicht auf heran brausende Autos achten
werden, wenn sie etwas Interessantes auf der anderen Straßenseite
entdeckt haben.
Sandra
Mirosavljevic aus dem österreichischen Eggenburg gehört
zu denjenigen, die sich von allen Nachteilen nicht abschrecken
ließ. Für sie und ihren Partner begann am 7. März
1996 ("Genau um 16 Uhr") ein neuer Lebensabschnitt,
als sie ihren ersten Husky aus dem Tierheim holten. Inzwischen
sind sie umgezogen, haben sich einen Transporter gekauft und all
die anderen notwendigen Dinge zugelegt. Und sie haben aus ihren
Fehlern gelernt.
Beispielsweise,
dass Schlittenhunde nicht unbedingt schon morgens um sechs ihre
erste Laufeinheit absolvieren müssen. Oder dass auch ein
junger Schlittenhund dosiertes Laufen bevorzugt, damit er nicht
schlapp macht.
Sie
wissen jetzt, wie sensibel ihre Vierbeiner sein können, dass
diese nach drei Stunden vor dem TV-Gerät lieber wieder an
die frische Luft wollen, dass sie richtig schmollen, wenn sie
im Gegensatz zu ihren Gefährten nicht vor den Schlitten gespannt
werden. Dass sie der beste Freund des Menschen sein können.
Ach
ja, inzwischen besitzen sie dreizehn Schlittenhunde. Dabei soll
es auch bleiben. Höchstens zwei sollen noch dazu kommen.
Denn mehr sind im Transporter nicht unterzubringen.
Ein
Schlittenhund soll ja möglichst nicht mehr kosten als 300000
Euro.
Artikel
vom 8.2.2003
Quelle:
+http://www.rhein-main.net